Von Fremden und Freunden

Endlich können wir sie immer sehen! Die Fremden, deren Namen wir noch nicht kennen oder die wir schon wieder vergessen haben, wie auch die Freunde, die ja allgemeinem Wort zufolge angeblich unsere „besten“ sein sollen. Denn die beiden, seinerzeit als nahtlos aufeinanderfolgende Ausstellungen in der Könighauspassage gezeigten Werkgruppen von Konstanze Siegemund sind nun zusammen in einem Katalog mit vielen anderen ihrer Arbeiten nachzuschlagen und dauerhaft zu bestaunen.

Beide Reihen haben neben ihrer Schöpferin und ihrer Figurativität gewissermaßen nur das Ausdrucksmittel der seriellen Variation gemein.

Die Übertragung des Mittels der Wiederholung – als eines der stärksten- aus der Rhetorikauf die Ebene der Bildenden Kunst ist uns spätestens seit Andy Warhols quietschbunten „Mona Lisen“; „Marilyn Monroes“, „Roger Moores“ und Selfportraits“ zum kulturellen Allgemeingut der Moderne geworden. Jeder hat das schon einmal – irgendwie, irgendwo – gesehen und kann es mühelos vor dem inneren Auge des Geiste auftauchen lassen.

Der Abgeneigte moniert dabei vor allem vermeintliche Banalität und Ennuyance. Doch wohnt der Wiederholung und vor allem ihrer Variation ein ganz anderer Reiz inne. Wir fühlen uns in ihr gewissermaßen zu Hause, aufgehoben und so sicher, dass wie endlich frei genug sind, auf die Feinheiten und die leisen Töne zu schauen, die sonst im Lärm des bunten Durcheinanders viel zu oft einfach nicht zur Geltung kommen können.

Schon unser Alltag lehrt uns Wiederholung – in Variationen versteht sich – ein ums andere Mal. Unser Leben ist – häufig mehr als uns lieb ist – vom Seriellen geprägt. Jeden Tag wiederholt sich ein bestimmtes Grundmuster in verschiedenen Abwandlungen. Die „Serie“ herrscht in vielen Bereichen unseres Lebens, unser liebgewordenen Gewohnheiten und unseres Wortschatzes: die Erfolgsserie – die Fernsehserie – der Serientäter – der Serienbrief – die Seriennummer…

Das Gesetz der Serie ist allgegenwärtiger und mächtiger als wir uns selbst – innovationsgeil wie unsere Gesellschaft – glauben machen wollen. Wiederholung ist nur für den, der nicht richtig hinsieht, monoton und langweilig. In der Serie liegt die verträumte Magie des Märchens, in denen sich übrigens auch vieles mehrfach leicht variiert wiederholen muss, bevor es zum glücklichen Ende kommen darf. Die Reihe folgt ihrem eigenen Rhythmus und eröffnet ganz autarke Möglichkeiten der Darstellung.

Schaut hin und lauscht!



Dr. Susann Buhl -Kunsthistorikerin-
Text zur Ausstellung und für den Katalog -Vom Verschwinden im Augenschein-
2005, Galerie Spinnerei/Archiv, Leipzig